unsere Arbeitsthesen zum Thema "Cyberfeminismus"



1. Cyberfeminismen liegen verschiedenste Feminismen zugrunde. Cyberfeminismus ist ein Ergebnis der Verschiebung von Wahrnehmungen im sogenannten post-humanen Zeitalter, bezüglich Kategorien wie Politik, Körper, Geschlecht, Arbeit. Unsere Verortung cyberfeministischer Ansätze orientiert sich deshalb vor allem an ihrer Einstellung zu diesen Kategorien.
Cyberfeminismus entsteht einerseits aus einer marginalen Position heraus - bezogen auf männlich dominierte (virtuelle&reale) Räume -,andererseits auch aus einer dominanten Position, da er Zugang zu Infrastruktur und Wissen voraussetzt. Eine Analyse verschiedener Ansätze sollte deshalb auf ihre Fokussierungen und Auslassungen achten.

2. Frauen, die sich als Cyberfeministinnen bezeichnen, reagieren in erster Linie auf das Aufkommen neuer Technologien und agieren aus der Notwendigkeit heraus, sich mit diesen auseinanderzusetzen und Räume für Frauen zu besetzen.
Anfängliche Euphorie und Enthusiasmus (z.B. Plant, Haraway) weichen immer mehr einer "Einsicht in die Notwendigkeit". Utopien werden vor allem als solche, nämlich als utopisch, formuliert, Möglichkeiten vor allem auf der diskursiven (symbolischen) Ebene gesehen.

3. Ihr Politikbegriff könnte am allgemeinsten als "subversiv" bezeichnet werden. "Revolutionäres" Pathos, wie es bei männlichen Zeitgenossen zu beobachten ist, ist hier eher nicht zu bemerken.
Cyberfeministische Praktiken sind in diesem Sinne strategisch, kurzfristig, anti-essentialistisch, minoritär, parodistisch, ästhetisch ...

4. Cyberfeminismus muß unseren Erachtens eine radikale Kritik neuer Medien und Technologien leisten und Modelle entmythisieren, die vom Cyberspace als einem machtfreien, pluralistischen, körperlosen und strukturell demokratischen Raum ausgehen.

5. Cyberfeministische Ansätze von virtuellen Räumen beziehen sich in auffälliger Weise auf Körper. Keine schreibt von Entkörperung, körperlosem Raum oder einer Überwindung von Körperlichkeit, worauf männliche Utopien größtenteils verweisen [siehe Barlow, Bolz, Gibson (Cyberpunk)]. Explizit im Mittelpunkt steht Verkörperung z.B. bei Aristarkhova, Mitrofanova, Jahrmann...

6. Cyberspace muß als ein diskursiver, sprachlich und auch materiell strukturierter Raum begriffen werden, der somit von Machtverhältnissen durchzogen ist.

7. Cyberspace umfaßt nicht nur (den) virtuellen Raum im Sinne von Software-Oberflächen, sondern erstreckt sich über dessen Gestaltung bis hin zur Herstellung von Hardware und die Produktion von Wissen.
Cyberfeministische Ansätze müssen die Frauen in der Halbleiterindustrie genauso einbeziehen wie Teleworkerinnen und männliche Designer.
Für uns ist Cyberspace mit einer Diskussion von Arbeit und Arbeitsverhältnissen unter globalisierten und neoliberalen Bedingungen gekoppelt.
In diese Richtungen weisen die Ansätze von Wilding, Biemann, Aristarkhova, Jahrmann. (Für die gesamte Bandbreite von Plant bis Biemann steht das old boys network...)

8. Wir lehnen cyberfeministische Ansätze als bürgerlich und elitär ab, welche die realen kapitalistischen Herrschaftsverhältnisse ausblenden.

9. Neue Technologien können gesellschaftliche Verhältnisse ändern bzw. neue Möglichkeiten eröffnen, wie z.B. die Aufweichung von Geschlechterkategorien, doch nur auf dem Rücken Anderer, d.h. durch die Einführung neuer bzw. Verfestigung alter Kategorien (z.B. Verstärkung rassistischer Tendenzen). Es findet immer nur eine Verschiebung von Hierarchien statt.
 
 

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