reise

ReiseVorbereitungen

ReiseVorbereitungen

Auf der Suche nach cyber/feministischer Handlungsfähigkeit

Unsere Arbeit hat ihren Ursprung in einer Unruhe über die Neuen Technologien und ihre zunehmende Präsenz in unserer "gesellschaftlichen Wirklichkeit" . Wir versuchen diese Unruhe in der Suche nach einer kritischen feministischen Handlungsfähigkeit umzusetzen, in die sowohl unsere Verweigerungshaltung als auch Neugier an den Neuen Technologien einfließt. Somit verorten wir feministische Strategien als ein Handeln an der Grenze zwischen subversiver Aneignung und kritischer Distanz gegenüber machtvollen Diskursen und Praktiken. Dabei geht es uns in erster Linie um eine Entmystifizierung der Diskurse, um das Überschreiten von Grenzen und die Eröffnung von feministischen Handlungsmöglichkeiten. Insbesondere im Hinblick auf Neue Technologien muß sich ein solcher Anspruch in Bezug zur "gesellschaftlichen Wirklichkeit" von Frauen setzen, muß verkörperte und verortete Strategien (ver)suchen.

Dabei betrachten wir cyberfeministische Auseinandersetzungen und Herangehensweisen an den Cyberspace als Beispiel für einen möglichen kritischen Umgang mit den Neuen Technologien. Cyberfeminismus stellt eine - sehr heterogene - Form feministischer Auseinandersetzung mit diesem Thema dar, ist in seiner Widersprüchlichkeit genauso mehrdeutig wie die Begriffe, auf die er sich bezieht: Feminismus und Cyber(space).

So fordert z.B. Irina Aristarkhova - Cyberfeministin aus Moskau - zu einer feministischen Politisierung des Cyberspace auf, den sie kritisch auf seine Machtverhältnisse und die herrschende Genderpolitik hin untersucht. Sie richtet ihren Blick gleichzeitig auf Gefahren und Potentiale, mit dem Anliegen, Strategien für und mit Frauen zur kritischen Aneignung zu entwickeln.

    "Cyberspace als ein politischer Ort, der neu, immer noch unter Konstruktion und mitten im Prozeß der Etablierung ist und zum Beispiel anders kontrolliert wird als Akademia, kann effektiv für feministische Politik genutzt werden. [...] Wir müssen jetzt den Cyberspace politisieren, indem wir Möglichkeiten für neue Kräfteverhältnisse schaffen, die das Erscheinungsbild der Macht verändern und ihr Potential ebenso wie ihre Gefahren zeigen." (Aristarkhova 1999a)
Im Gegensatz dazu wird der Cyberspace in den Aussagen von Alla Mitrofanova und Irina Aktuganova, den Begründerinnen des Petersburger Cyber-Femin-Clubs, als ein Raum konstituiert, in dem die Erfüllung von Wünschen möglich ist, und der in keiner Beziehung zu anderen sozialen Räumen steht.
    "This new media space is an opportunity for women to communicate independently and exchange their skills, self-articulations and creativity. It is a place to provide access to the internet and technologies, where men cannot interrupt us, where we can be really equal and promote our ideas." (Aktuganova 1997)
Die Gegensätzlichkeit dieser "cyberfeministischen" Positionen eröffnet das Spannungsfeld verschiedener feministischer Herangehensweisen an den Cyberspace. Während Aristarkhova ihn als einen von Machtverhältnissen durchzogenen Raum begreift, entwirft Aktuganova ihn als einen neuen machtfreien Raum. Hier stellt sich die Frage nach den Konzepten, Erfahrungen und Theorien, mit denen sie ihre Positionen verbinden, nach ihrem Verhältnis zu "Realität", "Virtualität" und "Fiktion": Wenn "gesellschaftliche Realität" eine "Fiktion" ist, was sind dann "Virtualität" und der Cyberspace? Wenn soziale Beziehungen im Cyberspace gelebt und kreiert werden, ist er dann nicht "gesellschaftliche Wirklichkeit"?
Die Positionen zwischen einem "anything goes" und kritischer Skepsis werfen gleichzeitig die Frage nach dem feministischen (Selbst-) Verständnis und dem Bezugnehmen auf die "gesellschaftlichen Wirklichkeiten" von Frauen auf. Inwieweit und für welche Frauen begeben sich cyberfeministische Ansätze auf die Suche nach Handlungsmöglichkeiten? Welche Bezüge werden zur "gesellschaftlichen Wirklichkeit" hergestellt?

In unserer Auseinandersetzung mit Feminismen und dem Cyberspace wird die Verortung und Verkörperung cyberfeministischer Strategien besonders wichtig. Uns interessiert der Kontext, aus welchem heraus die Frauen sprechen und handeln. So wie in unsere Arbeit unser eigener Kontext, unser Berliner Umfeld und Alltag, mit einfließen, möchten wir in Bezug auf die oben zitierten "russischen" Cyberfeministinnen ihren rußländischen Kontext erfahren. Hierbei ist uns die Problematik bewußt, daß wir aus dem "Westen" nach Rußland blicken, von einer "allgemeinen" Perspektive auf das "Besondere" und "Andere". Verbunden damit ist jedoch unser Anliegen, auch in dieser Hinsicht eine Grenzüberschreitung zu wagen, den Horizont unseres Wissens zu erweitern und andere und eigene Erfahrungen zu teilen.
Das verbinden wir auch mit dem Paradox des "russischen" Cyberspace , also einer Nationalisierung des internationalen Phänomens. Es fällt uns schwer, über "russischen Cyberfeminismus" zu sprechen, vor allem, da wir uns dagegen wehren, uns einem "deutschen" Cyberfeminismus zuzuordnen. Andererseits ist die Verortung des Cyberspace bzw. des Cyberfeminismus ein wesentlicher Aspekt unseres Anliegens. Von "Cyberfeminismus in Rußland" hingegen zu sprechen, ist ebenso problematisch, da die Frauen sich zwar stark auf einen rußländischen Kontext beziehen, aber zum Teil außerhalb Rußlands leben.

Anliegen und Fragestellung

Im Mittelpunkt unserer Arbeit steht also die Suche nach cyber/feministischer Handlungsfähigkeit.
Damit verbindet sich die Erarbeitung einer kritischen Haltung zum Cyberspace und eine Auseinandersetzung mit der Grenzziehung zwischen Virtualität und Realität. Da feministische Politik sich auf mögliche Verbindungen zwischen "Frauen" richtet, dies aber neuer Praktiken bedarf, ist unsere Frage die nach dem Bezug cyberfeministischer Strategien zu "Frauen". Aus der Eingrenzung unserer Betrachtung auf Cyberfeminismus in Rußland bzw. "russischen" Cyberfeminismus ergibt sich somit unsere erste Fragestellung:

Was hat Cyberfeminismus mit (den) Frauen in Rußland zu tun?

Gleichzeitig versuchen wir unsere eigenen cyber/feministischen Strategien zu betrachten und zu erweitern. Wir wollen unsere (Macht)positionen hinterfragen und unsere Suche nach feministischer Handlungsfähigkeit konkretisieren und erproben. Dabei steht für uns die Auseinandersetzung und Begegnung mit anderen (Frauen) im Vordergrund, die sich nicht nur auf theoretischer und diskursiver Ebene abspielt, sondern auch Erfahrungen in Bezug auf unsere Wirklichkeiten, unsere Verortung, beinhaltet:

Wie kann feministische Handlungsfähigkeit im und in Bezug auf den Cyberspace hergestellt werden?

Wir begeben uns also auf eine Gratwanderung zwischen Theorie und Praxis, zwischen Virtualität und Realität - zwischen Ohnmacht und Macht...
 
 

zurück nach oben
reise