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ReiseErfahrungenReiseErfahrungen"Mit Netz und ohne Boden?"
Wir denken, daß ein solches Ereignis, wie das Verschwinden einer Website, uns den Boden nicht entziehen kann, da wir unsere Fiktionen nicht allein im Cyberfeminismus verankert haben, bzw. dieser schon ein Sich-Einlassen und ein Rechnen mit Bodenlosigkeit und Paradoxen ist. Davon handelt Cyberfeminismus. Davon handelt unsere Arbeit. Claudia Reiche sagt, daß Cyberfeminismus erst noch erfunden werden muß und permanent erfunden wird. Auch wir haben ihn mit dieser Arbeit "erfunden" - und er existiert mit ihr, der Diskussion, der Website. Er existiert durch die Verbindungen, die entstanden sind, aber auch ständig neu hergestellt und "erfunden" werden müssen. Das Stichwort der "Erfindung" führt uns zurück zu den (zwei) wesentlichen und umstrittenen Bezugspunkten cyberfeministischer Strategien: "Frau" und Frauen und "Cyberspace", deren Verbindung wir (mit Astrid Deuber-Mankowsky, Teresa de Lauretis, Irina Aristarkhova und Donna Haraway) in der symbolischen Fiktion gesucht und gefunden haben. Das anfängliche Anliegen einer Demystifizierung, die Skepsis gegenüber Neuen Technologien haben wir mit feministischen Metaphern gefüllt, und sie ist formulierbar geworden. Der Begriff der symbolischen Fiktion drückt eine bestimmte Haltung sowohl zur Produktion der "Frau" als auch zum "Cyberspace" aus. Diese beinhaltet Distanzgewinnung und gleichzeitig die Lust auf Erfindung, ohne Wahrheit zu beanspruchen - eben die Lust auf Fiktionen, die ihre "Ursprünge" nicht vergessen und nicht unschuldig sind. Zunehmend wichtiger und erfahrbarer im Prozeß unseres Arbeitens ist ein Verständnis von Ethik geworden, daß uns auch die Begriffe von "Frau" und "Cyberspace" noch einmal anders und neu betrachten läßt. Die Notwendigkeit der Auseinandersetzung mit ethischen Vorstellungen begegnet uns zwar auch schon bei Haraway und Astrid Deuber-Mankowsky. Als Begriff ist diese jedoch erst mit Irina Aristarkhova in unser Nachdenken getreten. Sie setzt den Begriff der "(Cyber)Ethik" explizit - fast als Synonym bzw. Ersetzung von Cyberfeminismus - ein. Die Erfahrung dessen, was damit gemeint sein könnte, verdanken wir dem Projekt der Website und den Online-Gesprächen - der Diskussion mit Larissa, Irina, Alla, Irina und Valentina. Haraways Bestimmung "gesellschaftlicher Wirklichkeit" als "gelebte soziale Beziehungen", die wir als Navigationshilfe nutzten, um den Boden nicht zu verlieren in der Komplexität von Virtualität und Realität, hat neuen Sinn gewonnen. Das Wissen, daß diese Beziehungen nur sehr partial und situativ lebbar und beschreibbar sind, führt uns zu den konkreten Räumen und konkreten Frauen und damit zu Fragen des Umgangs miteinander, des gemeinsamen Handelns. Unsere Betrachtungen von Realität, Virtualität, Repräsentation und die Ansätze für Handlungsfähigkeit in Fiktion, Performanz und Parodie sind mit sehr konkreten Erfahrungen konfrontiert worden. Zum Begriff der Verantwortung ist der der Gastfreundschaft hinzugekommen. Verantwortung sahen wir zunächst als Verantwortung für Wissen und (Macht)Positionen in konkreten Kontexten, doch gerade in Bezug auf den Cyberspace bedeutet diese auch die Herstellung von Verbindlichkeit und Verbindungen. Als strategisches Mittel, um die Öffnung herzustellen, die solche Verbindungen ermöglicht, bietet Aristarkhova die Metapher der "Gastfreundschaft".
So wird für Cyberfeminismus die Vernetzung zum Netz, die nicht auf
dem Boden von festen Definitionen und Identitäten aufbaut.
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