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    "Feministische Objektivität handelt von begrenzter Verortung und situiertem Wissen und nicht von Transzendenz und der Spaltung in Subjekt und Objekt. Vielleicht gelingt es uns so, eine Verantwortlichkeit dafür zu entwickeln, zu welchem Zweck wir sehen lernen." (Haraway 1995d: 82)
Unsere cyberfeministische Arbeit im und mit dem Cyberspace und die Betrachtung Rußlands geben die Werkzeuge für unsere Arbeit vor. So führt uns die Suche nach feministischen Handlungsmöglichkeiten zu einer feministischen Wissenschaftskritik, die wir mit Donna Haraways Begriff des "situierten Wissens" fassen möchten. Mit ihrem Beharren auf Partikularität und Verkörperung des Blicks ("vision") eröffnet sie uns Möglichkeiten einer feministischen "objektiven" Wissenschaft, findet einen "brauchbaren, allerdings nicht unschuldigen Objektivitätsbegriff" (ebd).
Unser auf Rußland bezogenes Projekt muß sich der Problematik des Schreibens über die "Anderen" aus der Perspektive des hegemonialen westlichen Blicks stellen. Somit erfordert unsere Positionierung innerhalb dieser Perspektive eine Verantwortlichkeit für die "Praktiken, die uns Macht verleihen" (87). Darunter verstehen wir mit Haraway eine Selbstverortung innerhalb machtvoller Diskurse und Verantwortlichkeit für Wissen. Diese Verortung impliziert die Verwundbarkeit unserer eigenen Position, die wir aushalten und der wir uns stellen möchten.
Haraway plädiert für ein "Netzwerk erdumspannender Verbindungen, das die Fähigkeit einschließt, zwischen sehr verschiedenen - und nach Macht differenzierten - Gemeinschaften Wissen zumindest teilweise zu übersetzen" (79). Wir versuchen, in einen solchen feministischen Übersetzungsprozeß "objektiven" Wissens zu treten, um mögliche Antworten auf unsere Fragen zu finden und cyber/feministische Strategien auszuprobieren.
Dies versuchen wir mit der Überschreitung der Grenze zwischen Theorie und Praxis und der Auflösung des Subjekt-Objekt-Verhältnisses (z.B. durch selbstreflexive Methoden im Sinn teilnehmender Beobachtung). Außerdem leisten wir durch unsere gemeinsame Zusammenarbeit und den Austausch mit anderen und nicht zuletzt durch die Wahl unserer Quellen Kritik am westlichen Autorenmodell. Wir weben die verschiedenen theoretischen, praktischen und reflektiven Stränge in einem Text verdichteter Reflexion zusammen und schlagen die (An)Teilnahme an einem Projekt verschiedener Grenzüberschreitungen vor

verdichtete Reflexion

Als Ausgangspunkt der Reise durch unser Projekt - mit russischen Frauen, Cyber/Feministinnen, uns und unseren anderen Reisebegleiterinnen - wählen wir unsere GeschichteN: sie symbolisieren Orte, von denen aus viele Richtungen eingeschlagen werden können, die zur Reise einladen und Spuren vieler verschiedener Ereignisse verweben.
Diese Metapher der Reise, verschiedenen Spuren folgend, steht für uns für die Idee der verdichteten Reflexion . Mit ihr führen wir viele Stränge und Ebenen zusammen und möchten den Blick auf vieles und in unterschiedliche Räume eröffnen. Wir verarbeiten in unserem Projekt Texte und Erfahrungen in und mit verschiedenen Ebenen, verlinken diese untereinander und setzen Verweise auf mehr: Ein dichtes Gewebe von Text, quasi ein Stück Hypertext , welches durch unser Online-Projekt mit dem Hypertext Internet verbunden ist.
Es ist unvermeidlich, daß einiges am Wegesrand zurückbleiben muß, nachdem es uns eine Weile begleitet hat, wie ein Link, den es plötzlich nicht mehr gibt, weil die Zielreferenz umcodiert worden ist. Doch wird vieles wieder auftauchen und wiederkehren, und einiges begleitet die LeserIn sogar bis zum Ende. Insofern gibt es keinen chronologischen Ablauf, vieles muß vorweggenommen werden, was wir erst später erfahren. Somit ist unsere Reise auch eine Gratwanderung zwischen Räumen, Zeiten und Welten, zwischen Methoden und Ideen, entlang von Grenzen, die alle mehr oder weniger durchlässig und überwindbar sind.
Hierbei ergeben sich Irritationen, die uns (und die LeserIn) aufreiben werden, wenn wir zu starr an der Annahme festhalten, daß wir alles erfassen können, daß wir das Ganze finden.
Wir können nicht allen Ebenen und Spuren unserer Arbeit nachgehen und sie wiedergeben, es ergeben sich immer bestimmte Prioritäten. Aus unserer "partialen Perspektive" heraus werden wir versuchen, diese Prioritäten offenzulegen. Somit beschreiben wir im Folgenden die uns im Sinn einer feministischen "Objektivität" und Handlungsfähigkeit wichtigsten Ebenen, die in unsere verdichtete Reflexion einfließen.

Überschreitung der Grenze zwischen Theorie und Praxis

    "Die Cyborg als imaginäre Figur und als gelebte Erfahrung verändert, was am Ende des zwanzigsten Jahrhunderts als Erfahrung der Frauen zu betrachten ist. Dies ist ein Kampf auf Leben und Tod, aber die Grenze, die gesellschaftliche Realität von Science Fiction trennt, ist optische Täuschung." (Haraway 1995b: 34)
Wir bewegen uns mit dieser Arbeit im Spannungsfeld zwischen Theorie und Praxis, zwischen "Fiktion" und Erfahrung. Gemeinsam mit russischen Cyber/Feministinnen gehen wir auf die Suche nach feministischen Handlungsmöglichkeiten im Cyberspace und verflechten unsere theoretische Auseinandersetzung mit cyberfeministischen Strategien mit einem offenen Online-Projekt. Somit verorten wir unsere Arbeit an der Grenze zwischen Theorie und Praxis, überschreiten diese und stellen sie in Frage.

Unsere Lektüre und Verarbeitung von Texten und Theorie zu (russischem) Feminismus, Cyberfeminismus und Cyberspace bildet den ersten Teil der Arbeit über cyberfeministische Strategien in Rußland. Mit diesem "Wissen" treten wir in das direkte (online) Gespräch mit russischen Feministinnen und Cyberfeministinnen, führen eine Online-Diskussion in Form einer Mailingliste. Diese veröffentlichen wir auf russisch und englisch auf den Seiten unseres Webprojekts, welches parallel zu unserer theoretischen Arbeit und der Diskussion entsteht und wächst. Somit versuchen wir, uns einer feministischen "Objektivität" anzunähern, in der Hoffnung, mit dieser (bedingt) öffentlich zugänglichen Diskussion verschiedene Blicke, sowohl den aus dem "Westen", als auch den aus Rußland bzw. von Russinnen aus Singapur und Deutschland thematisieren zu können.

Das Web-Projekt, eine cyberfeministische Website mit Diskussionsforum, Linksammlung, den Gesprächen und unserer Arbeit im Entstehen (und mehr), entwerfen, gestalten und füllen wir in einem Prozeß des "learning by doing", parallel zu unserer Lektüre. Mit dieser Tätigkeit gehen wir der Frage nach, inwieweit und wie feministische Vernetzung und Wissensübersetzung im Cyberspace möglich ist und welche Schwierigkeiten entstehen. Wir möchten die Möglichkeiten des Mediums in Bezug auf Interaktivität erproben und unsere Erfahrungen mit den verschiedenen Grenzen vermitteln.

Infragestellen der Subjekt-Objekt-Beziehung

    "Wir müssen lernen, wie wir in unseren mit der Farbwahrnehmung von Primaten und einem stereoskopischen Blick ausgestatteten Körpern das/die Objektiv(e) mit unseren theoretischen und politischen 'Bildabtastern' verbinden können, um in Dimensionen des geistigen und physischen Raumes, die wir kaum zu bezeichnen wissen, zu benennen, wo wir sind und wo nicht. (... ) Nur eine partiale Perspektive verspricht einen objektiven Blick." (Haraway 1995d: 82)
Wir versuchen in unserer Arbeit, eine "partiale Perspektive" einzunehmen, mit der wir unter anderem die wissenschaftliche Subjekt-Objekt-Beziehung in Frage stellen möchten. Als eine mögliche Strategie für diese Kritik wenden wir methodische Aspekte "teilnehmender Beobachtung" an. Wir möchten also unsere Selbstverortung durch folgende Herangehensweisen sichtbar machen:
  • Im Entstehungsprozeß dieser Arbeit greifen wir selbstreflexive Methoden auf, um unseren eigenen Widerständen, Erwartungen, Erfahrungen, ... nachzugehen: durch das Schreiben und Analysieren unserer die Arbeit begleitenden Tagebücher, unserer e-mail-Kommunikation und durch die Auswertung von Gesprächen mit und in unserem "Zusammenhang" . Hierbei überschreiten wir die Grenze zwischen "Wissenschaftlichkeit" und persönlicher Erfahrung, die im Widerspruch zu einer "feministischen Objektivität" steht. Wir versuchen dadurch, unsere "Objektivität" zu verkörpern und zu verorten und die Illusion des wissenschaftlichen Blicks, "alles von nirgendwo aus sehen zu können" (Haraway 1995d: 81) zu verdeutlichen.
  • Mit der Online-Veröffentlichung unserer Arbeit im Entstehen (http://userpage.fu-berlin.de/~brat/cyberfemin.html) öffnen wir uns für Einfluß und Kritik von "außen", machen uns angreifbar und verletzlich. Diese Verletzlichkeit bezieht sich außerdem auf Fragen des Copy-Rights bzw. der AutorInnenschaft.
  • Unsere theoretische Auseinandersetzung mit cyberfeministischen Strategien in Rußland verknüpfen wir mit Online-Gesprächen mit russischen Cyber/Feministinnen. Die Gespräche stellen explizit keine Interview-Situation dar. Vielmehr versuchen wir mit ihnen einen cyber/feministischen "Übersetzungsprozeß" zwischen verschiedenen Gemeinschaften aufzuführen . Somit bezieht sich unsere Auswertung sowohl auf die Aussagen der russischen Cyber/Feministinnen als auch auf unsere eigenen Beiträge, die einen Teil des empirischen Materials darstellen.
  • Hierzu gehört auch, daß wir keine eigene Theorie 'erfinden' und anhand von Zitaten belegen möchten. Vielmehr versuchen wir unsere Begegnung mit Theorien nachvollziehbar zu machen und sie mit auf die Reise zu nehmen. Wir verweisen auf feministische Schreibtraditionen und beziehen uns bewußt auf feministische Autorinnen.
  • Den persönlichen Rahmen für unsere gesamte Arbeit bildet das Schreiben der GeschichteN unseres gemeinsamen Arbeitens. Diese sind ein Dialog unserer Selbstreflexionen und stehen als Hyperlink zwischen Theorie, Praxis und persönlichen Erfahrungen. Mit ihnen soll deutlich werden, was Eingang in diese Arbeit findet, jedoch nicht wirklich mitteilbar ist.

Austausch

    Handlungsfähigkeit ist "acting in concert." (nach Hannah Arendt)
Unser e-mail-Username baba_jaga wird zu unserem gemeinsamen Label, wir schreiben in der ersten Person Plural und sprechen einzeln über Andrea oder Jana in der dritten Person Singular: Unsere Arbeit ist ein gemeinschaftliches Werk, das in enger Zusammenarbeit entsteht und für eine Kultur der feministischen "wissenschaftlichen" Auseinandersetzung steht.
Wir möchten damit das westliche logozentristische Autorenkonzept in Frage stellen und deutlich machen, daß Gedanken in direkter Kommunikation entstehen. Somit gilt unsere Kritik nicht nur der Spaltung zwischen Objekt und Subjekt, sondern auch der Annahme einer individuellen und vereinzelten Produktion von Wissen und Macht.

Doch stellen wir uns auch nicht als produzierendes Paar dar, welches einfach den individuellen Autorinnenstatus gegen ein Gruppen-Label austauscht. Unsere Arbeit entsteht in direktem Austausch mit und in unserem "Zusammenhang", ist ohne unser Umfeld nicht zu denken. Dieser Austausch reicht von Diskussionen über verschiedene Themenschwerpunkte, über technische Tips bis zu alltäglicher Unterstützung. An dieser Stelle möchten wir den Vielen danken, deren Gedanken und Arbeit in dieses Projekt eingeflossen sind, auch wenn sie oft nicht namentlich erwähnt werden.

Konkreter tauchen in der Arbeit an vielen Stellen unsere verschiedenen Reisebegleiterinnen auf. Die Art des Austauschs mit ihnen und ihrer Begleitung variiert stark. So wählen wir uns ferne Autorinnen, die uns mit ihren Texten und Theorien begleiten , wie auch Reisegefährtinnen vor Ort, die in direktem Austausch mit uns stehen, uns Rat geben und sich auf eine gemeinsame Reise einlassen . Besonders hervorheben möchten wir unsere kontinuierlichste Reisebegleiterin Donna Haraway. In unserer Genealogie des Cyberfeminismus (Kapitel 2.3.) stellen wir sie als Theoretikerin und Vordenkerin des Cyberfeminismus vor. Außerdem gibt sie uns ein methodisches Handwerkszeug im Sinne feministischer Handlungsfähigkeit und einen möglichen Umgang mit den Neuen Technologien vor.

Wir erforschen somit experimentell die Komplexität des gemeinsamen Arbeitens, welches uns Reibung und Widerstand bietet, aber auch einen erweiterten Blick und Genuß eröffnet. Somit ist feministisches Schreiben und Arbeiten eine Suche nach "verantwortlichem Vergnügen" (Slavoj ÎiÎek zit. in Aristarkhova 1999a), das wir in unserer Zusammenarbeit und im Austausch ausprobieren.  

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Quellen und Arbeitsmittel

    "Mein referentielles Universum besteht hauptsächlich aus anderen feministischen Autorinnen, und das schon seit langem. Das heißt nicht, daß ich die Texte wichtiger männlicher Autoren, wie die von Michel Foucault, (...) nicht gelesen habe oder weiterhin lesen werde. Ich meine jedoch, daß das Universum femini-stischer Referenzen sehr umfangreich geworden ist." (Haraway 1995a: 112)

Bevor sich die LeserIn nun auf den Weg begibt, möchten wir ihr noch eine Übersicht über die von uns verwendeten Arbeitsmittel und Quellen geben. Unsere grenzüber-schreitende Arbeit führt zu vielen verschiedenen Ressourcen, die sich z.B. nicht nur auf theoretische Texte oder empirisches Interview-Material beschränken.

Die Hauptquelle unserer theoretischen Arbeit bildet der Cyberspace selber. Das heißt, daß wir den Großteil der cyberfeministischen Texte und Projekte im www gesucht und gefunden haben . Dies ist insofern problematisch, da hier ein nicht zu übersehendes und qualitativ schwer einzuschätzendes Informationsangebot existiert. Hyperlinks veralten schnell, da www-Seiten häufig umstrukturiert oder gelöscht werden. Außerdem entstehen sehr schnell neue Projekte, so daß es letztendlich schwieriger ist, die Informationen sinnvoll zu filtern, als welche zu finden . Bei der Zitierweise ergibt sich dabei das Problem, daß oft keine Jahresangaben angegeben werden, wir also nur den Zeitpunkt nennen können, wann wir auf einer Site waren (download 00 00 0000), wann sie also existierte. Desweiteren gibt es bei Literatur aus dem Netz keine Seitenzahlen, was vor allem bei längeren Texten unpraktisch ist. Wir geben dann nur die AutorIn und das Jahr an.

Für die theoretische Hinführung zum Thema Cyberfeminismus beziehen wir uns vor allem auf Printliteratur rußländischer Feministinnen. Besonders seit Anfang der 90er wurden sowohl in Rußland als auch im (westlichen) Ausland etliche Aufsatzsammlungen und Monographien von und über rußländische Feminismen herausgegeben. Weitere offline-Quellen sind für uns Literatur zu Medientheorie und Netzkritik und die Texte unserer Reisebegleiterinnen Donna Haraway, Teresa de Lauretis, Sabine Hark, Astrid Deuber-Mankowsky...

Außerdem benutzen wir das Material unserer Tagebücher und Reflexionen, unsere e-mail-Kommunikation und GeschichteN. Einen wesentlichen Teil unseres Materials und unserer Erfahrungen bilden die Gespräche mit den russischen Cyber/Feministinnen.

Das Online-Projekt ist im Internet auf den Seiten der Freien Universität Berlin zu finden (http://userpage.fu-berlin.de/~brat/cyberfemin.html). Nur dort ist es vollständig und im täglichen Wachsen vorzufinden. Wir legen es jedoch auch auf CD-Rom gebrannt dieser Arbeit bei. Sie kann mit den meisten Internet-Browsern gelesen werden. Die deutschsprachige Startdatei heißt "cyberfemin.html".

Bei russischen Begriffen benutzen wir die Regeln der wissenschaftlichen Transkription. Nur bei Namen, die im deutschen Sprachgebrauch geläufig sind, ziehen wir die gängige Umschreibung vor, z.B. Jelzin (statt El'cin). Beim Zitieren russischer Texte verwenden wir - wenn vorhanden - die englische oder deutsche Übersetzung im Text und stellen das russische Original in die Fußnote . Zitate, die uns nur im Russischen vorliegen, übersetzen wir selbst ins Deutsche. Eine Ausnahme bilden dabei unsere Online-Diskussion, die wir aufgrund der größeren "Öffentlichkeit" auf englisch ins Netz stellen .
Außerdem möchten wir an dieser Stelle auf unseren Gebrauch der Unterscheidung zwischen den Begriffen "russisch" (auf die russische Sprache bezogen) und "rußländisch" (als Verweis auf das Land Rußland, welches durchaus z.B. auch andere Sprachgruppen als die russische umfaßt) hinweisen. Ähnlich beziehen wir Rußland auf den heutigen multi-ethnischen und multi-kulturellen Staat. In Bezug auf die Nachfolgestaaten bzw. das Gebiet der ehemaligen UdSSR verwenden wir die gängige englische Abkürzung fSU ("former Soviet Union"). Das große I verwenden wir, wenn wir explizit nicht nur Frauen meinen.
 
 

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